29. April 2019

Schüleraustausch DEU-FRA

Auf in die Normandie!

Bereits im April 2018 hatten wir einmalige Erlebnisse mit unseren Gästen aus Frankreich geteilt. Diese Zeit hatte uns geprägt, uns Selbstvertrauen geschenkt.

Doch nun, nach fünfmonatiger Pause, ging es für uns auf große Fahrt nach Frankreich. Bereits vor dem Bus, als wir uns nachts trafen, war die Aufregung riesengroß. Wir waren hippelig. Einige Abschiedsbilder wurden noch geschossen und dann ging es auch schon los. Die Fahrt sollte ganze 20 Stunden dauern; also sehr viel Zeit, um zu schlafen oder ganz einfach einige Vokabellisten bis zuletzt auswendig zu lernen.

Man merkte, dass nach jedem gefahrenen Kilometer die Aufregung und die Spannung stiegen. Keiner wusste, was wir alles neben unserem gut gefüllten Rahmenprogramm noch würden erleben dürfen, wie unsere Gasteltern uns empfangen würden.

Angekommen in Caen wurden wir von unseren Freunden erwartet. Auch wenn wir viel früher ankamen als erwartet, funktionierte alles wunderbar. Nun ging also die spannende Zeit los. Würden sich unsere Erwartungen erfüllen?

Vor uns lagen sieben Tage Frankreich und auf dem Plan standen die Geschichte der Normandie, Wilhelm der Eroberer und der Einfluss des Zweiten Weltkrieges auf die Region. Das mag vielleicht ziemlich langweilig klingen – dachten wir auch – aber wir haben uns getäuscht!

Nach dem ersten Abend in unseren Gastfamilien startete der Tag im „Lycée Victor Hugo“. Die Schule war doch etwas unübersichtlich. Wir sind da auch etwas anderes gewohnt. Was aber besonders auffiel war das zierliche Klavier im großen Eingangsflur. Als wir ankamen saßen daran bereits einige französische junge Schüler und versuchten ihr Glück. Nachdem wir am Vormittag groß gefrühstückt und im Anschluss einen Überblick über die Normandie  erhalten hatten, ging es zum Mittagessen. Nun erklärte sich auch der lange, nennen wir ihn Zaun, der im Flur verankert war. Zum Glück mussten wir uns nicht hintenanstellen und kamen als „VIPs“ schnell in die Kantine. Wir waren alle samt etwas erschrocken, als wir die Massen an Schülern sahen, die dort tagtäglich essen. Nach der Pause verschwanden unsere Franzosen in den Unterricht und wir fuhren mit dem Bus in die Stadt, wo uns ein Stadtführer erwartete. Das Programm endete mit einem kleinen Fußmarsch zurück zur Schule. Auf dem Weg sahen wir die alte Festung und die Gebäude der Universität Caen. Die Schultage in Frankreich haben es wirklich in sich. Zwar beginnt die Schule erst um halb neun, jedoch endet sie vier Tage in der Woche nach 18:10 Uhr. Wir waren dementsprechend einfach kaputt und glücklich, wenn wir im Bus nach Hause fuhren.

Am Freitag saßen wir nun zum ersten Mal gemeinsam im Unterricht mit unseren Austauschpartnern. Es war spannend zu verfolgen, wie viele mit ihrem Handy spielten, erzählten oder einfach ihr MacBook herausholten. Nein, nein – so schlimm war es nicht ganz, aber irgendwie anders als bei uns. Der Lehrer steht vorne, kontrolliert die Anwesenheit, indem er alle Schüler aufruft und im Anschluss hält er seinen Monolog. Es ging alles so schnell, dass wir erst nach einer halben Stunden mitbekamen, womit sich der Unterricht überhaupt beschäftigte. Nach diesem ersten Erlebnis waren wir herzlich eingeladen, in die Sporthalle zu kommen und Handball, Volleyball oder auch Badminton zu spielen. Selbst Herrn Korehnke konnten wir überzeugen, ins Tor zu gehen. Die Stimmung war wirklich bombenmäßig. Es war so, als kannte man sich eine halbe Ewigkeit. Am Nachmittag fuhren wir nach Bayeux, einer Kleinstadt inmitten der Normandie mit dem längsten Teppich der Welt, auf dem die Geschichte Wilhelm des Eroberers und der Normandie festgehalten wurde.

Der lange Tag endete und somit starteten wir in ein aufregendes Wochenende, denn es stand für die meisten von uns Paris auf dem Plan! Es war nun Zeit, gemeinsam Frankreich zu erleben und die Straßen unsicher zu machen…

Aber natürlich ist der ganze Austausch nicht da, um einzig Spaß zu haben. Ein bisschen arbeiten gehört eben auch dazu. 😉 So stellten wir, mit großem Zeitaufwand und Energie, einen eigenen Flyer am Montag in der Schule vor, der die Normandie einem größeren Publikum bekannt machen sollte. Nach dem Mittagessen in der Kantine machten wir uns auf den Weg in das Mémorial, das die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert darstellte, aber vorwiegend natürlich die Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 (D-Day) und ihre Folgen für das Nazi-Regime. Es war beeindruckend zu sehen, in welchem Maße die Operation Neptune vorbereitet und mit welcher Genauigkeit sie durchgeführt worden war. An diesem Punkt kann man etliches über die Historie erzählen und über den gesamten Zweiten Weltkrieg, über den Konflikt zwischen Japan und den USA, sowie den Kalten Krieg in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts.

Der Dienstag, unser vorletzter Tag bei unseren Freunden, konnte einen schockieren. Wir fuhren gemeinsam zu den Landungsstränden, zur Pointe-du-Hoc und dem größten amerikanischen Soldatenfriedhof in Frankreich. Dieser Tag versprach Momente, die uns begreifen lassen würden, welches Ausmaß dieser hässliche Krieg gehabt hatte. Die Pointe-du-Hoc, war eine befestigte Stellung der Deutschen gewesen, wo ein tagelanger Schusswechsel zwischen einigen hundert Soldaten gewütet hatte. Die Krater, die bei der Bombardierung durch die Alliierten entstanden sind, können noch heute – nach 75 Jahren – erkannt werden; ebenso wie die teilweise noch erhaltenen Bunker.

Als wir den amerikanischen Soldatenfriedhof betraten, war es zum ersten Mal ganz still in unseren Reihen geworden. Hier lagen Tausende junger Soldaten, die ihr Leben im Kampf gegen die Unterdrückung des Hitler-Regimes gelassen hatten. Es war ein Ort voller Trauer; weiße Kreuze, ab und zu weiße David-Stern in Reih und Glied. Alles sah so ordentlich und gepflegt aus. Wir haben uns einige Namen durchgelesen, ihr Geburtsdatum und rechneten es auf das Jahr 1944 hoch…

Wir können von Glück reden, in einer Welt geboren zu sein, wo Frieden herrscht, wo man einander respektiert.

 

Ich glaube, Mut ist das richtige Wort, um von der Eigenschaft zu sprechen, die alle Frankreichfahrer besessen haben. Diese besondere Chance, die wir erhalten haben, wird uns prägen. Wir haben großartige Erfahrungen sammeln können, unser Selbstvertrauen gestärkt und Vielfalt erlebt!

Willem Smakmann (11.6)

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